Das Foto, an das jetzt auch durch eine Briefmarke erinnert wird, ging um die Welt: Bundeskanzler Willy Brandts Kniefall am 7. Dezember 1970 am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 in Warschau. Diese spontane Geste als Bitte um Versöhnung eines führenden sozialdemokratischen Politikers war der sichtbare Ausdruck der deutschen Entspannungspolitik.
Am gleichen Tag wurde der Warschauer Vertrag über die Unverletzlichkeit der Oder-Neiße-Grenze unterzeichnet. Zuvor war ein Abkommen mit der UdSSR abgeschlossen worden. Es folgten Verträge mit der DDR (1972) und der Tschechoslowakei (1973). Für seine Ostpolitik erhielt Willy Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
„Wann und wodurch hat Deutschland, das für seinen Militarismus schon im 19. Jahrhundert beargwöhnte und mit der Ermordung von 6 Millionen Juden vollständig entehrt scheinende Deutschland, wann und wodurch hat es seine Würde wiedergefunden? Wenn ich einen einzelnen Tag, ein einzelnes Ereignis, eine einzige Geste benennen wollte, für die in der deutschen Nachkriegsgeschichte das Wort ‚Würde‘ angezeigt scheint, dann war es der Kniefall von Warschau.“ (Navid Kermansi am 23. Mai 2014).
(Willi Carl/Sabine Hering)
Am 21. November 1868 entstand in Brandenburg der „Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein“ (ADAV) fünf Jahre nach der Gründung der ersten deutschen Arbeiterpartei am 23. Mai 1863 in Leipzig. In der Havelstadt hofften ADAV-Präsident Johann Baptist von Schweitzer und der Vorsitzende der „Gewerkschaft der „Cigarrenmacher“, Friedrich Wilhelm Fritzsche, neue Mitstreiter zu gewinnen. Da der ADAV nach dem preußischen Vereinsgesetz keine Ortsvereine gründen durfte, traten die Brandenburger einzeln zum 1. Januar 1869 dem zentralen ADAV bei, hielten aber als Gruppe eigene Versammlungen ab.
Die erste Versammlung fand am 12. Dezember 1868 mit über 1.000 Teilnehmern statt. Der „Zigarrenfabrikant“ und spätere Reichstagsabgeordnete Friedrich Wilhelm Fritzsche hielt eine zweistündige Rede über „die politischen Verhältnisse und die Lage des Arbeiterstandes“, wie das Parteiorgan „Sozialdemokrat“ berichtete. Am 22. Dezember tagte dann die erste Mitgliederversammlung des Brandenburger ADAV im Parteilokal „Elysium“.
Es gab in Brandenburg seinerzeit mehr Zigarrenmacher als Maurer, Zimmerleute, Bäcker oder Fleischer. Sie arbeiteten meist in Gruppen in Heimarbeit und wurden nach Anzahl der abgelieferten Zigarren bezahlt. Eine Besonderheit war dabei der Vorleser, der während der sonst eher langweiligen Arbeit den anderen aus Zeitungen und Flugblättern die neuesten Nachrichten vorlas, diese auch kommentierte und damit zu deren Politisierung beitrug. (Wolf Preus) Deshalb gehörten die Zigarrenmacher an vorderster Front zu den potentiellen Wählern und Mitgliedern der frühen Sozialdemokratie in der Region.
Da der ADAV bis 1873 durch seine Konkurrenz zu der von Bebel und Liebknecht geführten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zur Spaltung der Arbeiterbewegung beitrug, gehörte Fritzsche zu denjenigen, die sich vehement für die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien aussprachen, die 1875 in Gotha mit der Konstituierung der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDSP) erfolgte. Damit gingen auch die in Brandenburg an der Havel entstandenen Körperschaften des ADAV bereits sieben Jahre nach der Gründung in die nun vereinigte Partei, die sich 1890 den Namen SPD gab, über.
(Willi Carl/ Sabine Hering)
Bereits vor 100 Jahren waren die SPD-Frauen auf der Höhe der Zeit.
Sie stellten die Weichen für die Zukunft. Deshalb versammelte sich am 9. und 10. Okt. 1920 in Kassel die SPD-Frauenkonferenz mit 109 Delegierten.
Bei der Konferenz ging es um die politische und organisatorische Wirksamkeit der Frauen in der SPD.
Rednerinnen waren u.a. die aus Brandenburg stammenden Reichstagsabgeordneten Elisabeth Röhl (1888–1930) und Toni Pfülf (1877–1933). Auch die damals noch junge Juristin Elisabeth Selbert (1896-1986), die "Mutter" des Gleichberechtigungsartikels im Grundgesetz kam zu Wort: "Ein Gedanke hat meine besondere Beachtung gefunden: nämlich der, daß wir zwar heute die Gleichberechtigung für unsere Frauen haben, daß aber diese Gleichberechtigung immer noch eine rein papierne ist."
Erst 28 Jahre später setzte sich Elisabeth Selbert im Parlamentarischen Rat mit dem Artikel 3, Abs. 2 - - Männer und Frauen sind gleichberechtigt - durch.
1920 mussten sich die SPD-Frauen darauf beschränken, ihre eigene Partei dazu aufzufordern, mit aller Energie dafür zu sorgen, dass den Frauen die ihnen in der Verfassung und in der Gesetzgebung gewährleisteten Rechte eingeräumt werden. Besonderes Gewicht hatten darüber hinaus die Debatten über die die Notwendigkeit der Reform der Jugendfürsorge und über den Abtreibungs-Paragrafen 218/ 219.
Bei dem im Anschluss ebenfalls in Kassel stattfindenden Parteitag der Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) wurde die Brandenburgerin Marie Juchacz (1879-1956), die von 1919 bis 1933 die Potsdamer SPD im Reichstag vertrat, in den Parteivorstand gewählt.
(Willi Carl)
Das Historische Kalenderblatt wird herausgegeben von der Historischen Kommission der SPD Brandenburg, Arbeitskreis zur Erforschung der Geschichte der Sozialdemokratie in Brandenburg.
www.hiko-sozialdemokratie-brandenburg.de
Mit dem 1878 erlassenen Sozialistengesetz wollte Reichskanzler Otto von Bismarck die aufstrebende Sozialdemokratie vernichten. In §1 hieß es: "Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten. […]"
Sozialdemokraten wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt, fast tausend Funktionäre aus ihren Wohnorten ausgewiesen. Zeitungen, Versammlungen und Schriften wurden verboten. Diese Gewaltmaßnahmen führten dazu, dass sich die Aktivitäten der Partei in den Untergrund bzw. ins Ausland verlagerten, weckten aber auch die Solidarität großer Teile der Arbeiterschaft und führten zunehmend zu Wahlerfolgen der SPD, so dass die – durch parlamentarische Immunität geschützten - sozialdemokratischen Mitglieder im Reichstag und in den Landtagen ihre Arbeit erfolgreich ausüben konnten. Außerdem wurden an zahlreichen Orten Bildungs- und Arbeitersportvereine sowie Naturfreundegruppen als Tarnorganisationen gegründet, in denen die politische Arbeit, wenngleich mit hohem Risiko, fortgesetzt wurde.
Um der wachsenden Unzufriedenheit aufgrund sozialer Notlagen in großen Teilen der Bevölkerung entgegenzuwirken, wurden seit Beginn der 1880er Jahre unterschiedliche Formen der sozialen Absicherung eingeführt. Doch die Politik von Zuckerbrot (Sozialversicherung) und Peitsche (Sozialistengesetz) scheiterte. Die Entlassung Bismarcks durch den jungen Kaiser Wilhelm II. im März 1890 machte das ebenso deutlich wie die Reichstagswahlen im Februar 1890, die ein großer Erfolg für die Sozialdemokratie waren. Nun standen die Genossen - auch in der Provinz Brandenburg - besser da als je zuvor.
Damit war das Ende der Sozialistengesetze eingeläutet. Nach seiner Aufhebung vor 130 Jahren wurde die Sozialdemokratie, die sich seit 1891 SPD nannte, zu einem ernstzunehmenden Machtfaktor. Aus der Reichstagswahl 1912 ging sie als klarer Wahlsieger hervor und übernahm ab 1919 die ‚Bürde der Macht“ und in Preußen die Aufgabe eines ‚Bollwerks gegen den Faschismus.‘ (Willi Carl, Sabine Hering, Heiko Tammena).
Das Historische Kalenderblatt wird herausgegeben von der Historischen Kommission der SPD Brandenburg, Arbeitskreis zur Erforschung der Geschichte der Sozialdemokratie in Brandenburg.
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Im Sommer 1914 mehrten sich die Zeichen für eine Kriegsgefahr. Noch am 25.7. sprach sich ein Aufruf des SPD-Parteivorstands im „Vorwärts“ gegen den drohenden Krieg aus: „Überall muss den Machthabern in den Ohren klingen: Wir wollen keinen Krieg!
Es lebe die internationale Völkerverbrüderung!“.
Zahlreiche Kundgebungen fanden statt, so in Brandenburg mit 4.000 Teilnehmern im Garten des Volkshauses.
Trotzdem befand sich ab 1. August 1914 „die halbe Welt“ im Krieg: Deutschland, Russland, Großbritannien, Frankreich und Österreich. Noch am gleichen Tag wurde der „militärische Ausnahmezustand“ für Berlin und Brandenburg ausgerufen. Das bedeutete das Kriegsrecht mit der Zensur aller Presseorgane und dem Verbot aller öffentlichen Versammlungen. Die sozialdemokratischen Organe und Vereine standen unter ständiger Bewachung – sogar den Arbeiterturnvereinen in Nowawes, Brandenburg und Rathenow wurde die Auflösung angedroht.
Nun standen SPD und Gewerkschaften vor der Entscheidung: Sollte der Krieg als notwendige Vaterlandsverteidigung anerkannt, oder sollte - den internationalistischen Grundsätzen folgend – der Regierung eine radikale Opposition entgegengesetzt werden.
Die allgemeine Kriegsbegeisterung und das drohende Verbot der Partei wie der Gewerkschaften verfehlten ihre Wirkung nicht: Die Reichstagsfraktion der SPD stimmte am 4.8.1914 unter strengem Fraktionszwang geschlossen dafür, der Regierung die Kriegskredite zu gewähren und sich während der Zeit des Krieges jeglicher Form der Opposition zu enthalten. Damit schloss sie ihren „Burgfrieden“ mit dem Kaiser, seinen Generälen und der Rüstungsindustrie.
Das widersprach zwar allen vorangegangenen Beschlüssen der Partei und auch dem Protest von 11 Mitgliedern der Fraktion gegen diese Entscheidung, doch rettete es auch den Erhalt der starken Organisationen der Arbeiterbewegung. Die Befürwortung der Kriegskredite von Seiten der SPD trug Hugo Haase vor, der zu den 11 fraktionsinternen Gegnern des Votums zählte. Er sagte - gegen seine eigene Überzeugung: „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“
Nicht nur für die radikalen Kriegsgegner Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg kam diese Entscheidung einem Verrat an den Ideen der Sozialdemokratie gleich. Das pro und contra Kriegskredite und „Burgfrieden“ war noch während des Krieges der Nucleus der Spaltung der Sozialdemokratie in MSPD und USPD /KPD sowie dem seither existierenden Antagonismus innerhalb der Linken.
(Heiko Tammena)
Kalenderblatt zur Geschichte der Sozialdemokratie in Brandenburg 7/2020
„DIE NEUORDNUNG DER WELT“ IN POTSDAM
Am 17. Juli 1945 begann die Potsdamer Konferenz der drei Siegerstaaten Großbritannien, Sowjetunion und USA, in welcher die „Nachkriegsordnung“ in Deutschland geregelt werden sollte. Das Treffen von Winston Churchill, Joseph Stalin und Harry S. Truman im Schloss Cecilienhof wurde mit immensem Aufwand vorbereitet und durchgeführt, um die Sicherheit und Verpflegung der „Großen Drei“ zu gewährleisten. In der Konferenz wurde beschlossen, Deutschland zu entnazifizieren und zu demokratisieren: "Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven. Die Alliierten wollen dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, […] sein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wiederaufzubauen. Wenn die eigenen Anstrengungen des deutschen Volkes unablässig auf die Erreichung dieses Zieles gerichtet sein werden, wird es ihm möglich sein, zu gegebener Zeit seinen Platz unter den freien und friedlichen Völkern der Welt einzunehmen. Weiterhin heißt es: "Das deutsche Volk muss überzeugt werden, dass es eine totale militärische Niederlage erlitten hat und dass es sich nicht der Verantwortung entziehen kann für das, was es selbst dadurch auf sich geladen hat, dass seine eigene mitleidlose Kriegsführung und der fanatische Widerstand der Nazis die deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und Elend unvermeidlich gemacht haben.“ Die in Deutschland nach wie vor existierenden demokratischen Kräfte und Gruppierungen fanden keine Erwähnung.
In Potsdam wurde beschlossen, die Überführung Deutscher, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland in ordnungsgemäßer und humaner Weise durchzuführen. De facto begann nach der Potsdamer Konferenz die brutale Vertreibung von 12 Millionen Menschen aus den „Ostgebieten“ mit zahllosen Todesopfern.
Zu den Potsdamer Beschlüssen gibt es kaum zeitgenössische Stimmen aus der Sozialdemokratie. Willy Brandt kritisierte in der „Sozialistischen Tribüne“ im September 1945 die Regelung der deutschen Ostgrenze als unvereinbar mit den Prinzipien der Atlantik-Charta. Mit Ausnahme der Ostgrenzen-Regelung sei das Potsdamer Abkommen aber - so Brandt - in politischer Beziehung zweifellos ein Fortschritt gegenüber dem vorherigen Zustand. Insgesamt lehnten alle Parteien mit Ausnahme der KPD die Teilung Deutschlands durch das Potsdamer Abkommen kategorisch ab. Kurt Schumacher sagte im August 1947 auf einer Kundgebung in Berlin: „ Wir brauchen uns bloß an die fatalen Tage des Potsdamer Abkommens zu erinnern. Wir brauchen uns bloß ins Gedächtnis zurückzurufen, was im Potsdamer Abkommen alles steht, kein Mensch damals, weder im deutschen Volk noch in der Welt hat angenommen, dass das deutsche Volk vor die Schicksalsfrage gestellt wird, wie kann ich meine Einheit als Volk bewahren!“ Auf diese „Schicksalsfrage“ ist erst durch die Ostpolitik Willy Brandts eine Antwort erfolgt.
(Willi Carl)
Historisches Kalenderblatt der Sozialdemokratie in Brandenburg
Kalenderblatt 1 (2020)
19. Januar 1919
WAHLERGEBNISSE ZUR DEUTSCHEN NATIONALVERSAMMLUNG IN DER PROVINZ BRANDENBURG
Am 19. Januar 1919 fand die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung statt. Es war die erste Wahl, bei der auch Frauen ein Wahlrecht hatten. Die SPD ging auf Reichsebene als stärkste Kraft mit 37,9% hervor, verfehlte aber die absolute Mehrheit und bildete eine Koalition mit der Zentrumspartei und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP).
Der sich mehrheitlich aus Sozialdemokraten zusammensetzende Rat der Volksbeauftragten, der vom 10. November 1918 bis zum 13. Februar 1919 die provisorische Regierung stellte, konnte eine Reihe von Erfolgen vorweisen, die nun am 19. Januar 1919, der ersten Wahl nach dem Ende des Kaiserreichs belohnt wurden: der gesetzliche Achtstundentag, das Streik- und Tarifrecht mit Anerkennung der Gewerkschaften, die Einführung der Arbeitslosenunterstützung und das Frauenstimm-recht.
In Brandenburg hatte die SPD bei dieser Wahl vor allem in Frankfurt/Oder überdurchschnittliche Gewinne zu verbuchen (52,5%). In Potsdam lag die SPD - wie auch in anderen Wahlbezirken - hinter der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) zurück, die sich 1917 von der "Mutterpartei" abgespalten hatte.
Insgesamt lag die SPD durch die Einbeziehung von späteren Berliner Stadtteilen und dem Umland aber mit teilweise über 50% der Stimmen in Brandenburg weit vor den anderen Parteien.
Die gewählte Nationalversammlung tagte wegen der Unruhen in Berlin ab Februar in Weimar und legte hier mit der Wahl Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten am 11. Februar und der Annahme der „Weimarer Reichsverfassung“ am 11. August die Grundlagen für die neue, die „Weimarer Republik“.
Weitere Informationen finden sich in der Broschüre:
"Geschichte in Geschichten. 130 Jahre Sozialdemokratie in Brandenburg1868 - 1998"
von Heiko Tammena, herausgegeben vom SPD-Landesverband Brandenburg, Potsdam 1998.
Historisches Kalenderblatt der Sozialdemokratie in Brandenburg
Kalenderblatt 2 (2020)
10. Februar 1996
MANFRED STOLPE WIRD MIT DER LEITUNG DES "FORUMS OSTDEUTSCHLAND" BEAUFTRAGT
Am 10.2.1996 beschloss der SPD-Parteivorstand, das "Forum Ostdeutschland der Sozialdemokratie e.V." zu gründen, das noch heute, 24 Jahre später, aktiv ist.
Ziel des Forums Ostdeutschland war es, zum gegenseitigen Verstehen zwischen Ost und West beizutragen und die Umbruchprozesse der 1990er Jahre zu begleiten. Dabei ging es vor allem darum, die Erfahrungen und Interessen der Ostdeutschen sichtbar zu machen und Anerkennung zu verschaffen.
Manfred Stolpe (1936-2020) wurde die Leitung des Forums übertragen. Seine Stellvertreter waren Christine Bergmann (zu dieser Zeit Berliner Senatorin) und - um die gesamtdeutsche Bedeutung des Forums zu betonen - Henning Voscherau (damals Bürgermeister in Hamburg). Ein Beirat bekannter Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft begleitete das Vorhaben.
Eine ihrer Tagungen veranstaltete das Forum am 12.4.1996 in Cottbus und damit erstmals im Land Brandenburg. Unter dem Titel "Im Osten was Neues" wurde über "Innovationspotentiale" in der ostdeutschen Wirtschaft gesprochen. Zahlreiche Unternehmen stellten sich und ihre zukunftsfähigen Produkte in der Galerie des
Cottbuser Messezentrums vor.
Auch die Technische Universität (BTU) Cottbus stellte sich als junge, flexible Einrichtung der Qualifizierung und Forschung dar.
Eine zweite Tagung auf Brandenburger Boden wurde am 19.6.1999 in Strausberg abgehalten und nahm sich eines nicht minder wichtigen Themas an: "Der Jugend eine Zukunft - für neue Perspektiven junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt".
Auch in Zukunft soll das "Forum Ostdeutschland" sein von Stolpe geprägtes Profil beibehalten und ein offener Raum für wichtige Diskussionen und Kontakte bleiben.
Weitere Informationen finden sich in der Broschüre:
"Geschichte in Geschichten" von Heiko Tammena, herausgegeben vom SPD-Landesverband Brandenburg, Potsdam 2000
Historisches Kalenderblatt der Sozialdemokratie in Brandenburg
Kalenderblatt 3 (2020)
23. März 1933
DIE SPD LEHNT DAS ERMÄCHTIGUNGSGESETZ IM REICHSTAG AB
Zwei Tage nach der Eröffnung des Reichstages am 21.3.1933, welche nach dem Reichstagsbrand in die Potsdamer Garnisonskirche verlegt wurde, inszenierte Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, in der Berliner Kroll-Oper die Verabschiedung des "Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich". Mit dem „Ermächtigungsgesetz" übertrug das Parlament der Regierung außergewöhnliche Vollmachten. Nun konnten Gesetze ohne Beteiligung des Reichstags von der Regierung beschlossen werden.
Im Vorfeld kam es zu Verhaftungen von Abgeordneten, um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit herzustellen. Die Mandate der KPD wurden für ungültig erklärt, 27 Sozialdemokraten und 81 Kommunisten waren in Haft oder bereits im Exil. Als einzige Partei stimmten die 93 noch anwesenden Sozialdemokraten geschlossen gegen das Gesetz. Der Brandenburger Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der SPD Otto Wels (1873-1939) begründete die Ablehnung in seiner Rede folgendermaßen:
"Niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie das jetzt geschieht, und wie das durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. [...]
Die Herren von der nationalsozialistischen Partei nennen die von ihnen entfesselte Bewegung eine nationale Revolution, nicht eine nationalsozialistische. Das Verhältnis ihrer Revolution zum Sozialismus beschränkt sich bisher auf den Versuch, die sozialdemokratische Bewegung zu vernichten, die seit mehr als zwei Menschenaltern die Trägerin sozialistischen Gedankengutes gewesen ist und auch bleiben wird. [...] Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten."
Aber Otto Wels war nicht der einzige sozialdemokratische Abgeordnete, der sich der nationalsozialistischen Diktatur in jenen Tagen des Jahres 1933 entgegen stellte. Im preußischen Landtag war es Paul Szillat, Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg/Havel, der trotz des bereits einsetzenden Terrors in einer letzten Rede am 18. Mai 1933 zum Widerstand gegen das Ermächtigungsgesetz aufrief.
Weitere Informationen:
Tammena, Heiko: Geschichte in Geschichten. 130 Jahre Sozialdemokratie in Brandenburg1868 - 1998, herausgegeben vom SPD-Landesverband Brandenburg, Potsdam 1998.
Gerhart Binder, Epoche der Entscheidungen, Seewald Verlag, Stuttgart 1969, S. 281ff.
Die vollständige Rede von Otto Wels findet man als Audiodatei unter: https://www.spd.de/partei/personen/otto-wels/.
Historisches Kalenderblatt der Sozialdemokratie in BrandenburgKalenderblatt 4 (2020)
7. April 1946 DER WEG DER BRANDENBURGER SPD IN DIE SED
Kalenderblatt 4 (2020)
7. April 1946
DER WEG DER BRANDENBURGER SPD IN DIE SED
Am 7. April 1946 erfolgte in Potsdam die "Vereinigung" der Brandenburger SPD und KPD zur SED. Die Veranstaltung fand im alten „Gesellschaftshaus“ in der Zimmerstraße 10 statt. Noch heute erinnert eine Tafel, die bereits in der DDR angebracht wurde, an dieses Datum.
Am 20. und 21. Dezember 1945 hatte eine erste gemeinsame Konferenz (die sogenannte 60er-Konferenz) aus SPD- und KPD-Funktionären zur Beratung einer möglichen Vereinigung stattgefunden. Ähnliche Treffen fanden danach auch auf regionaler Ebene statt. Aus Rüdersdorf, Senftenberg, der Stadt Brandenburg, Cottbus und Wittenberg/Westprignitz, Niederbarnim und der Stadt Guben gab es Zustimmung. Doch gerade im Umfeld Berlins traf der Plan teilweise auf heftigen Widerstand - so in Stahnsdorf, in Potsdam, Woltersdorf, aber auch in Belzig, Oranienburg und Zehdenick. Diejenigen, die eine Einheit befürworteten wurden von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) unterstützt, Gegner der Einheit wurden teilweise Repressionen ausgesetzt, die bis zur Inhaftierung u.a. im Speziallager Sachsenhausen reichten.
Am 26. Februar 1946 tagte eine zweite "60er-Konferenz", auf der die Ziele, die Grundsätze und das Statut der neuzugründenden Sozialistischen Einheitspartei (SED) unter Berücksichtigung der Vorbehalte diskutiert wurden. Viele SPD-Funktionäre waren trotz der Bedenken zum Zusammenschluss bereit. Man setzte auf die vereinbarte Parität von ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern im SED-Statut und auf die im neuen Programm verankerten Bekenntnisse zum Sozialismus „auf dem Boden der demokratischen Republik“ - eine Formulierung, die dem Entwurf der SPD entsprach.
Die Brandenburger Delegierten trafen sich am 6.4.1946 zu einem letzten SPD-Provinz-Parteitag zusammen, auf welchem die nunmehr feststehende Vereinigung mit der KPD bestätigt wurde. Als gleichberechtigte Vorsitzende der SED des Landesverbandes Brandenburg wurden für die SPD Friedrich Ebert jun., der Sohn des ersten Reichspräsidenten, und für die KPD Willy Sägebrecht gewählt. Im paritätisch besetzten Sekretariat des Landesvorstands saßen je sechs SPD- und KPD-Mitglieder. Zum engeren Vorstand gehörten neben Ebert aus den Reihen der SPD Max Homa, Karl Gadow, Else Bauer, Emmi Pilz und Richard Küter.
Weitere Informationen:
"Geschichte in Geschichten" von Heiko Tammena, herausgegeben vom SPD-Landesverband Brandenburg, Potsdam 2000 und "Vereinigung von KPD und SPD in der Provinz Brandenburg 1946" von Werner Bethge, Kurt Finker, Kurt Libera, herausgegeben vom PDS-Landesvorstand, 1996.
DER ERSTE LANDESPARTEITAG DER SPD BRANDENBURG
Im Mai 1990 fand in Kleinmachnow in der ehemaligen Parteihochschule der SED der erste und letzte Landesparteitag der SPD in Brandenburg ‚auf dem Boden der DDR‘ statt. Es handelte sich dabei um die Wiedergründung der Partei nach vier Jahrzehnten der Unterordnung unter das Diktat der SED innerhalb einer nur dem Schein nach paritätischen Einheitspartei.
Dieser historische Akt wurde nicht nur von den älteren DDR-Bürgerinnen und Bürgern begrüßt, die über all die Jahre hinweg der Sozialdemokratie verbunden geblieben waren, auch viele jüngere Menschen fühlten sich von der seit Ende der 1980er Jahren spürbaren Aufbruchsstimmung angezogen, die – spätestens seit der Gründung der SDP in Schwante - in erster Linie mit dem sozialdemokratischen Bekenntnis zur Freiheit und Demokratie greifbar geworden war.
Trotz der vielen rechtlichen und organisatorischen Probleme, die die Planung und Durchführung eines Landesparteitags für die Mehrheit der Beteiligten mit sich brachte, welche diese Aufgabe zum ersten Mal in ihrem Leben unter demokratischen Prämissen durchzuführen bereit waren, konnte die Veranstaltung mit 94 Delegierten aus allen Teilen Brandenburgs erfolgreich durchgeführt werden. Dabei hatte der Parteitag neben der Wahl des Parteivorsitzes eine beachtliche Fülle von Anträgen zu bearbeiten und die Mitglieder der Kommissionen zu bestimmen: Zusätzlich zu den üblichen Wahlen zum Parteitagspräsidium, zur Mandatsprüfungskommission, zur Zählkommission und zur Antragskommission im laufenden Verfahren, standen die eigentlichen Wahlen für die zukünftigen Strukturen und Arbeitsaufträge der Partei an: Im dritten Wahlgang wurde Steffen Reiche mit 57 der 94 Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt. Seine Stellvertreter waren: Eduard Zimmermann, Siegfried von Rabenau, und Manfred Schulz. Weiterhin ging es um die Wahl der Beisitzer im Landesvorstand, die Wahl des Landesschatzmeisters, die Wahl der Mitglieder des Landesparteirates, der Schiedskommission und der Kontrollkommission. Grußworte erfolgten von Anke Brunn, Bildungsministerin in Nordrhein-Westfalen, von dem Außenminister der DDR Markus Meckel, von dem Minister für Post und Fernmeldewesen Dr. Emil Schnell und von dem Geschäftsführer der DDR-SPD Stephan Hilsberg.
Mit der Wahl von Steffen Reiche zum Parteivorsitzenden war die Entscheidung der Parteitagsdelegierten für eine von ihm favorisierte Trennung des Parteivorsitzes vom der Kandidatur zum Amt des zukünftigen Ministerpräsidenten verbunden. Nach der Wahl rief Steffen Reiche seine Genossinnen und Genossen dazu auf, gemeinsam für die Erneuerung Brandenburgs zu kämpfen: „Jetzt bauen wir eine starke SPD für ein starkes Land Brandenburg auf. Und ich verspreche Euch - in wenigen Wochen werde ich Euch einen zukünftigen Ministerpräsidenten präsentieren, der das Land wieder stark macht. Mit uns gemeinsam. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Euch.“ Steffen Reiche gelang es bald darauf, Manfred Stolpe für die Kandidatur zum Ministerpräsidenten in Brandenburg zu gewinnen und damit die SPD auf den Weg zu einer inzwischen 30 jährigen Erfolgsgeschichte zu führen.
Historisches Kalenderblatt der Sozialdemokratie in Brandenburg
Kalenderblatt 6 (2020)
14. Juni 1945
Am 10. Juni 1945 erlaubte die sowjetische Militäradministration (SMAD) mit dem Befehl Nr. 2 in ihrer Besatzungszone das Gründen politischer Parteien. Anfang Mai 1945 hatten sich in Potsdam bereits in der Druckerei Stein (wo früher die “Weltbühne” gedruckt worden war) Sozialdemokraten und Kommunisten getroffen, um einen paritätischen Zehnerausschuß als gemeinsame politische Leitung beider Parteien zu gründen. Beteiligt waren die Sozialdemokraten Carl Steinhoff, Georg Spiegel und Else Bauer.
Am 14. Juni fand die erste SPD-Mitgliederversammlung in Brandenburg an der Havel statt. Vorsitzender wurde der Metallarbeiter und UB-Sekretär Paul Voigtt (1919-23 und 1926-33 Parteisekretär der SPD, ab April 1946 SED-Vorsitzender in Brandenburg)
Die SPD hatte zunächst sehr viel mehr Zuspruch als die KPD. Der “Märker”, SPD-Wochenzeitung für Brandenburg hatte schon zu Beginn seines Erscheinens eine Auflage von 50.000, ab November 1945 von 100.000 Exemplaren; ab Dezember erschien sie sogar pro Woche zweimal. Aber die Personalpolitik der SMAD benachteiligte in der Folge die SPD: Im November 1945 stellte die SPD nur sechs von 44 Landräten und drei von neun Oberbürgermeistern der kreisfreien Städte in Brandenburg.
Am 3. November 1945 fand der erste Bezirksparteitag der SPD Brandenburg statt. Das Thema war hochbrisant: “Freiheit oder Einheit”. Damals begannen die Auseinandersetzungen um die Einheitskampagne der KPD. Die Eigenständigkeit der SPD endete im April 1946 mit dem Zusammenschluss zur SED. Carl Steinhoff wurde erster Ministerpräsident, Georg Spiegel Erster Bürgermeister in Potsdam und Else Bauer Vizepräsidentin des Landtages und Stadtverordnete. Andere wehrten sich gegen die erzwungene Vereinigung und bezahlten das mit Freiheit und Leben.
(Willi Carl/Sabine Hering)